New in: Wir sind gerade in der Heimat unterwegs, beziehungsweise im Moment sogar noch weiter westlich in Groningen. Jedenfalls hat Ansgar beide Jacken vergessen, die er ins Auto packen wollte und aufgrund des doch sehr kühlen Wetters habe ich ihm vorgeschlagen, mal in einem Second Hand Laden vorbei zu schauen. In den ländlicheren Gegenden sind das meistens Kleiderkammern oder das rote Kreuz und ich sage euch – diese Läden sind wahre Goldminen. Einmal habe ich dort ein wunderschönes Sommerkleid für 5 Euro gefunden, das ich jetzt mehrere Sommer regelmäßig trage und Ansgar hat nun eine anderthalb tausend Euro Designerjacke, die frisch aus der Reinigung kam und wie neu aussieht für 15 Euro erstanden.
What happened: Juso-Chef Kevin Kühnert hat der Zeit ein Interview gegeben und Menschen haben sich aufgeregt. Die meisten, ohne das Interview überhaupt gelesen zu haben. Um das zu tun, muss man nämlich gleich ein ganzes Abo abschließen. Das will ich nicht, das halte ich nicht für zeitgemäß. Ich will nicht nur eine einzige Zeitung lesen, ich möchte verschiedene Artikel von verschiedenen Seiten aussuchen. So geht es nicht nur mir, sondern offensichtlich so vielen anderen Menschen da draußen, die sich ihre Meinung aus Zweit- und Drittverwertungen ziehen.
Zum schlechtesten Beispiel aus der Bild. Die schreibt nämlich Dinge wie „Und nun liegt Kevin Kühnert im Schützengraben und träumt vom neuen Klassenkampf“. Der umstrittene Teil des Interviews war die Frage, ob Kühnert eine Kollektivierung, keine Verstaatlichung von BMW wolle und er daraufhin bejahte. Das wolle er, auf demokratischem Wege. Gut, ich bin mir nicht ganz sicher, ob eine Kollektivierung einer Aktiengesellschaft tatsächlich auf irgendeinem Wege sinnvoll ist, beziehungsweise überhaupt möglich, wenn man sich an vorhandene Gesetze halten will, aber der Aufschrei, der einmal durch ganz Deutschland folgte, hat mir ein wenig den Atem verschlagen, eigentlich war hier nicht einmal die Rede von Enteignung, aber wenn eine Zeitung erstmal anfängt…
Bei Enteignung, da werden die Leute nervös. Ganz besonders die, die viel zu verlieren haben und genau das deprimiert mich so. Leute wie Katharina Bahlsen geben Interviews, in denen sie Sagen sie seien „stolze Kapitalisten“, außerdem wolle sie sich bald eine Yacht kaufen. Das kann man mal eben erzählen, wenn man die Erbin eines Keks-Imperiums ist, indem man einfach in die „richtige“ Familie geboren wurde, wobei ich „richtig“ mal in Anführungsstriche setze, denn das ist eine wage Aussage für die Erbin eines Unternehmens, das während des Nationalsozialismus von 200 verschleppten Zwangsarbeitern profitert hat und dann mit den Arbeitern, die Schadensersatz fordern vor Gericht zieht. Laut der Erbin habe sich der Konzern nichts zu Schulden kommen lassen und wie viel muss man eigentlich getrunken haben um so etwas öffentlich zu sagen? Naja, jedenfalls ist das Geld doch viel besser in Yachten investiert, das müssen wir doch alle einsehen.
NAJA Verena. NAJA. pic.twitter.com/6MJyMiHUN1
— KaNoNym (@KamNoNym) 10. Mai 2019
Und ich frage mich währenddessen, wie dumm ist eigentlich generell das Konstrukt Erbe? Wie viel sollte ein Mensch erben dürfen? Wie viele Häuser braucht ein einzelner Mensch? Wie weit muss die Schere zwischen Arm und Reich noch auseinanderklaffen, bis es langsam genug ist? Wir können hier doch nicht von fair reden, wenn ein reicher Erbe sagt „jeder kann was werden“ ohne den Zusatz „wenn du reiche Eltern hast.“ Kann man es Kühnert also verdenken, dass er über Lösungen nachdenkt, die uns wegführt von diesen immer irrer werdenden Differenzen? Gerade dafür sind doch Jugendorganisationen der Parteien da. Wäre es nicht ein Traum, wenn jeder Mensch maximal ein Grundstück oder sagen wir mal eine halbe Millionen Euro erben dürfte? Mit welchem Recht sollte irgendjemand Milliarden von Euro erben dürfen? Wie bescheuert ist das eigentlich? Und wieso zur Hölle gibt es eigentlich keine Vermögenssteuer?
Auf dem Plan: Ich muss es auch tun, ich kann nicht anders: Ich möchte euch auch nochmal an die Europawahl erinnern, die am 26. Mai stattfindet. Ihr könnt es bestimmt nicht mehr lesen, aber erst dann ist es gerade genug. Auch wenn ich im gleichen Atemzug in einem langen Text die Jusos verteidige, möchte ich betonen, dass viele Parteien eine Stimme gegen Rechts sein können und verraten, dass ich selbst nicht einmal die SPD wählen werde.
Tweets der Woche:
„Zwangsarbeit, aber gut bezahlt“ ist eigentlich die Definition von Kapitalismus.
— Cornelius W. M. Oettle (@C_W_M_O) 13. Mai 2019
Saving the planet will require sacrifice and right now I’m thinking you.
— God (@TheTweetOfGod) 13. Mai 2019
Wetten dass du heute nichts dümmeres gelesen hast? ? pic.twitter.com/d2SYuZZfkv
— Eyjay (@TheEyjay) 11. Mai 2019
Hi Jana,
erstmal hast du wieder ein ganz fantastsches Foto geschaffen. Wunderschön. Briefwahl habe ich letzte Woche bereits erledigt, da wir das Wochenende unterwegs sind. Ich gehe auch jedem in meinem Umfeld hart auf die Nerven damit, aber wenn ich auch nur einen von denen, die nicht gehen wollen, damit doch überzeugen kann, war es das alles wert. Die Aussage von Madame Bahlen ist wirklich grenzwertig. Da frage ich mich schon, ob sie niemandem in ihrem Umfeld hat, der da mal einen kleinen Blick drauf wirft und sie fragt, ob sie die Aussagen so richtig gut und richtig klug findet. Naja, wohl eher nicht.
Liebe Grüße,
Vanessa
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Danke für deine immer gut recherchierten Texte. Danke, dass du deine Meinung sagst. Und, danke für deine immer kreativen Bilder. Ganz liebe Grüße, Kim
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