Nach meiner ersten Nacht auf einem Brett wache ich leicht verwirrt auf und habe kurz vergessen, wo ich überhaupt bin. Der Ventilator pustet mir ins Gesicht und ich Richte mich von den Kissen, die ich Ansgar in der Nacht geklaut habe auf. Achja, ich bin irgendwo in Nordvietnam. Meinem Rücken geht es erstaunlich gut, ich hätte schlimmeres erwartet. Während wir also unser Zeug wieder zusammen packen und Zähne putzen klopft Bo Dai kurz nach 7 schon an unserer Tür. Wirklich pünktlich diese Vietnamesen.
Unten sind dann die einzigen Westler, mit denen wir auf unserer Reise in Kontakt gekommen sind. Die machen nämlich eine Tour mit Rollern durch Nordvietnam: Zwei Schotten, eine Engländerin und dann auch noch ein Ami, der irgendwo unterwegs seinen Kumpel aus den Augen verloren hat und ihn heute wieder finden wollte. Sie sind vor allem dankbar darüber, Bao Dai getroffen zu haben. Das gibt ihnen die Chance, endlich mal zu wissen, was sie da essen, denn Hundefleisch, so erklären sie, wäre nicht so ihr Ding und nochmal würden sie das nicht essen wollen. Zum Frühstück gibt es also süßen Mais von den Frauen, die gerade am Hotel vorbei laufen, eine Tasse mit Instant-Nudelsuppe und diesen wahnsinnig leckeren vietnamesischen Kaffee, den ich vergöttere, den Ansgar aber so gar nicht mag.
Mit dem Auto ging es dann ungefähr 500 Meter weiter, bis wir ausstiegen und den ganzen Berg hochwandern. Sport am Morgen, das ist mal was neues für mich und wir alle, inklusive Bao Dai schwitzen was das Zeug hält. Ich fange an, mich an Ansgar fest zu halten und ziehen zu lassen. Über die schmalen Terrassen balancieren wir zu den Reisbauern, die schon mit der Ernte angefangen haben.
Auf eine Art offener Holzrucksack wird ein ganzer Büschel Reispflanzen gespannt und dann den ganzen Weg hochgeschleppt. ungefähr 30 Kilo tragen die kleinen Frauen da jedes mal den Hang hoch. „Wanna try?“ Ansgar sagt ja und hockt sich hin, um irgendwie in die Schlaufen dieses „Rucksackes“ zu kommen. Das ganze sieht wirklich lustig aus, er scheint schon anatomisch nicht ganz dafür gemacht zu sein und alles um uns herum fängt schon an zu kichern. „ist wirklich schwer“ bestätigt er, aber wenn er das Ding schon auf hat, könne er es auch ganz hoch bringen. Also versucht er, irgendwie die Terrassen hochzuklettern, ohne hinzufallen und alles um uns herum lacht und schreit. Ich stimme ein, bin ein bisschen froh, dass Ansgar da hochklettert und nicht ich es bin und irgendwann kommt er unbeschadet oben an.
Nach unserer Wanderung landen wir irgendwann durchgeschwitzt und k.o. in einem kleinen Kiosk einer alten Frau, wo schon unser gut gelaunter Fahrer sitzt. Er kauft gerade den neugierigen Kindern Lollis und die schlauen Dinger nehmen sich natürlich direkt jeder drei. Über den Pass geht es weiter. Überall wilde Natur, hohe Bäume, Wasserfälle… Alles sieht plötzlich so anders aus und doch so gleich. Nach wie vor stehen in unregelmäßigen Abständen Ochsen am Straßenrand und fressen Grasbüschel. Der Fahrer weicht einem Hund aus, der mitten auf der Straße sitzt und nur gelangweilt den Kopf hebt, als er angehupt wird. „He don’t care“ sagt Bao Dai. ich stimme ihm zu.
Die Märkte hier sind nicht die gleichen wie zum Beispiel in Hoi An. Hier ist man Touristen nicht gewohnt, höchstens ein paar Südvietnamesen vielleicht. Das merken wir daran, dass wir alles mögliche kaufen können, ohne den zehnfachen Preis zahlen zu müssen und dass es hier besondere Spezialitäten zu kaufen gibt, wie zum Beispiel gegrillten Hund. Wir bleiben aber lieber bei Gemüse und Tofu und auch Bao Dai isst keinen Hund mehr, erklärt er uns. Mag er irgendwie nicht und er selbst hat auch drei Hunde. Eine dicke englische Bulldogge und zwei Schäferhunde, die den Polizeitest nicht bestanden haben
Im Tal von Mu Cang Chai werden wir wieder ausgesetzt und wir laufen ein ganzes Stück bergauf und bergab, bis wir irgendwann an einem alten Stelzenhaus ankommen. Eins der ältesten Häuser in der Gegend und eine ältere Frau lädt uns ein, herein zu kommen. Es ist dunkel, meine Augen müssen sich erst daran gewöhnen, bevor wir etwas sehen. Bao Dai erklärt uns, dass ganze 14 Menschen in diesem kleinen Haus leben. Aber selbst hier gibt es wieder einen ganzen Raum nur für die toten Vorfahren. Ein alter Fernseher mit einer Couch steht ein einer Ecke, an der Wand hängen Kinderzeichnungen von Dragonball Z. Überall verteilt Stroh, ein paar Welpen schauen schüchtern vom Eingang hinein. Irgendwie fühle ich mich ein bisschen komisch, während wir in diesem Raum stehen: Als wären wir in einem Museum, während die Menschen um uns herum hier leben und wir natürlich kein Wort wechseln können, weil wir kein Vietnamesisch und sie kein Englisch sprechen. Trotzdem sind alle so herzlich und nett: Am Eingang wird Reismehl hergestellt, mit einer alten Holzmaschine, die man mit kreisenden Bewegungen durch einen Holzstab in Bewegung bringen muss. Ich probiere es drei mal und schaffe es bis zum Ende nicht, sie allein zu bedienen. Die Frau, die etwa halb so groß ist, wie ich, versucht es mir zu zeigen, aber ich scheitere. Ich bin entweder zu dumm oder zu schwach.
Die Kulisse ins Tal ist einmalig. Überall wird Reis geerntet, jede kleine Ecke wird zum Anbau genutzt. Kinder sitzen auf grasenden Ochsen, an uns fahren mit Reis beladene Mopeds vorbei und Schulkinder laufen gelangweilt nach Hause. Manchmal rufen sie einen englischen Satz, den sie vermutlich in der Schule gelernt haben und rennen kichernd davon. Als wir weiterfahren kommen wir an einer großen Baustelle vorbei. Ein Baggerfahrer steht mitten auf der Straße und schippt gerade Kies um. Unser Fahrer hupt, nichts passiert. Also warten wir ein bisschen, während sich der Stau weiterhin verdichtet. Der Baggerfahrer hat offensichtlich keinen Bock, sich zu bewegen und gibt erst nach einem kleinen Hupkonzert nach und lässt uns alle passieren. He don’t care, genauso wie der Hund.
Wir steigen wieder aus, haben eine Wahnsinns Aussicht auf alle umliegenden Reisfelder. Bao Dai zeigt irgendwo in die Ferne auf einen superhohen Hügel. Da können wir hinlaufen sagt er und ich bete innerlich, dass wir da nicht hinlaufen müssen. Nach unseren zwei Wanderungen habe ich mich im Auto oder irgendwo rumstehend eigentlich ganz wohl gefühlt, also erkläre ich, dass es hier ja eigentlich ganz schön ist und wir ja auch ein bisschen von hier die Aussicht genießen können. Bao Dai erzählt uns dann, dass er schon den ganzen Tag mit uns durch die Gegend rennt, weil er das letzte mal mit einem Schweizer unterwegs war und er sich am Ende noch beschwert hat, dass sie so wenig gewandert sind. Und das nach einem 3 Stunden Marsch. Diese Schweizer sind doch verrückt, denke ich und erkläre, dass ich eigentlich ganz froh bin, wenn ich nicht so viel laufen muss wie ein Schweizer. Vor allem nicht bei so einem Wetter. Ich glaube Bao Dai war ganz froh darüber, denn er hatte vermutlich auch nicht unbedingt Bock, dahinten hinzurennen.
Wir genießen noch ein bisschen die Aussicht, bis wir in ein kleines Dorf von Mu Cang Chai fahren, wo wir in einem richtigen Homestay übernachten. Das heißt eine große Halle, kleinere Kabinen abgetrennt durch Vorhänge, Matte auf dem Fußboden aber zum Glück ein Moskitonetz für das ich hauptsächlich dankbar bin, weil uns aus den Ecken faustgroße Spinnen anstarren. Bevor wir aber dort hin fahren können, müssen wir warten, bis die Frau vom Nachbarhaus die Planen mit Reis wieder eingerollt hat. Die Nutzt die Teerstraße nämlich zum Reis trocknen und hat nicht damit gerechnet, dass hier ein Auto herfährt.
Gegessen wird gemeinsam auf der Veranda, Konversationen finden durch Körpersprache statt, denn auch der Sohn der Familie kann eher kein Englisch sprechen. Angestoßen wird mit selbstgebranntem Reisschnaps und während ich mich schnell in der einzigen Dusche abdusche und ziemlich früh ins „Bett“ falle und einschlafe, gehen Bao Dai und Ansgar noch ins Dorf um was trinken zu gehen. Ich sage gute Nacht liebe riesengroße, bedrohliche, wahrscheinlich tödliche Spinne und schlafe ein.
PS: Wenn ihr nach Vietnam reist und auch gerne etwas erleben möchtet, schreibt mir gerne eine Email, dann schicke ich euch den Kontakt.
Sonst eher eine stille, nur lesende, Bilder Anguckende, aktuell vollkommen fasziniert von Deinen Berichten aus Vietnam, dem nächsten entgegenfiebernd …
Danke! Nadja
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Teil 2 schlägt sogar noch Teil 1 So toll geschrieben meine Liebe. Ich habe es damals nicht zu den Reisfeldern geschafft, aber war auf jeden Fall nicht das letzte Mal in Vietnam und wenn ich einen Plan habe, melde ich mich auf jeden Fall für den Kontakt von Bao Dai!
Obwohl ich nicht wüsste ob ich überhaupt einen Raum mit solchen Spinnen betreten könnte Respekt!!!
Ich freue mich auf noch alle kommenden Berichte!!!
Liebst Kathi
http://www.meetthehappygirl.com
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Klingt nach einer Reise, die dir lange in Erinnerung bleiben wird und deine Sicht auf einige Dinge wahrscheinlich etwas verändert hat. Wertvolle Momente in unserer Entwicklung dein Schreibstil ist toll! Das Lesen macht viel Spaß.
Liebe Grüße!
Kate
http://katinspiration.com
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Die Bilder sind traumhaft schoen!
thedaydreamings.blogspot.com
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Sehr cool! Alles bis auf die Spinnen würde ich auch gerne erleben. ;D
Werde dir direkt mal ein Mail schicken. Wir planen nächstes Jahr einen längeren Trip nach Asien.
Liebe Grüsse
Sylvia
http://www.mirrorarts.at
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Hey, eure Reise klingt super! So ein Guide ist Gold wert – wir hatten einen auf Sri Lanka, ohne den der Urlaub nicht so toll gewesen wäre
LG, Käthe von Nicht 75B
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Die Eindrücke sind einfach klasse. Ich finde es wirklich super.
Wünsche Dir einen schönen Tag.
Liebe Grüße Lisa
http://hellobeautifulstyle.blogspot.de/
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Deine Beschreibungen faszinieren mich und treffen es so gut. Ich kenne die meisten Länder Südost-Asiens und werde durch deine Art darüber zuschreiben direkt wieder dorthin versetzt. Da braucht es noch nicht mal die Fotos, die aber sehr klasse sind!
Chapeau!
Love
Claudine / http://www.claudinesroom.com
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Liebe Jana, ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn du mir den Kontakt vermitteln könntest! Wir sind im Sommer auch im Vietnam unterwegs und eure Tour hört sich richtig schön an.
Liebe Grüße,
Laura
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Hey Jana,
Kannst du mir den Kontakt schicken, bzw wo ihr die Tour damals gebucht habt?
Würde mich sehr freuen
LG
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