opinion

ich bin kein Model, ich bin Blogger

April 10, 2016 - 10 comments

blogger_model

„Wow, du bist so groß, du könntest Model werden!“ – den Satz hat vermutlich jeder, der über 175 ist, mindestens einmal gehört. Groß ist gleich Model ist gleich ganz was tolles. Ich habe letztens ein Spiel auf dem Handy gespielt, wo man erraten muss, welche Antwort die meisten Menschen nennen und bei Traumberuf war tatsächlich Model dabei. Jedes Jahr stellen sich minderjährige Mädchen vor Millionen von Zuschauern bloß, weil sie von der großen Karriere des Models träumen. „Du Model“ – das gilt bei uns als Kompliment.

mybestbrands_shooting_2015Ist es das? Denn moment mal, das wäre für mich im entferntesten kein Traumberuf. Als Blogger verschwimmen Linien manchmal ein bisschen, die Aufgaben überschneiden sich hier und da leicht und weil es mittlerweile so viele Fernseh-Celebrity-Models gibt, kommen wir Blogger auch häufiger in Kontakt mit selbigen, beziehungsweise sehen sie ständig auf den gleichen Event, aber das was ich tue ist im Grunde etwas völlig anderes.

Ein Model ist in erster Linie eine Art Kleiderstange. Designer und Fotografen brauchen diese Menschen quasi als „leere Hülle“ um Kollektionen und ihre eigenen Ideen präsentieren zu können. Mitbestimmen gibt’s da nicht, da wird einfach angezogen ohne zu meckern. Jobs aussuchen? Kann man bei den wenigsten Agenturen – wenn du unter Vertrag bist, musst du nicht selten das machen, was die Agentur dir vermittelt – sonst gibt’s Ärger oder du fliegst eben raus. Mal ein bisschen mehr Pfunde drauf haben? Eher nicht, und das wirst du ziemlich bald zu spüren bekommen. Vermessen, anprobieren, Casting, Absage, abwarten. Hier mal schnell über den Laufsteg huschen, Schuhe drücken? Ist dein Problem. So ein Modelleben ist nichts, was ich jemals anstreben würde.

Modeling is a lonely business… You don’t speak. You don’t really portray anything but an image… the business is so superfluous about dealing with the outside, it messes with your mind.
– Kim Alexis

Menschen aus meiner Umgebung können oft nicht ganz greifen, was ich denn eigentlich mache und sagen immer wieder Dinge wie „du bist ja Model“. Klar, ich mache Fotos von mir in der neuesten Kleidung – das könnte man fast schon irgendwie im entferntesten mit Modeln vergleichen, aber doch ist es so anders. Bei jedem Shooting, bei jedem Kunden und Auftrag bin ich nicht nur die Person, die die Kleidung trägt, ich bin auch die Stylistin, die bestimmt, welche Kleidung sie trägt und die Redakteurin, die ihre Meinung darüber schreibt. Die Grafikerin, die den Bildstil bestimmt und das Layout macht. Ich bin die, die ihrer Agentur sagen kann, welche Jobs sie machen möchte und welche nicht passen und wenn ich will, dann darf ich auch ruhig ein paar Pfunde zunehmen. Unbequeme Schuhe? Entscheide ich selbst, ob es das wert ist. Wo ich hinreisen will? Das schau ich selbst mal und selbst bei meinem Shooting mit Rankin habe ich entschieden, was genau ich trage.

Ich kann verstehen, wieso es für manche reizvoll ist, Model zu werden: Ich glaube zwar, dass einem oft der falsche Lifestyle vorgegaukelt wird und viele aus falschen Motiven heraus Model sein möchten, aber ich finde manchmal die Vorstellung, einfach einen Job machen zu müssen, für den ich zwar mein Gesicht, aber nicht mein ganzes Ich, meine Persönlichkeit und meine Überzeugung hergebe, ganz attraktiv, zumindest an müden Tagen. Denn es gibt Momente, in denen es wirklich anstrengend sein kann, immer wieder abwägen zu müssen, die Sorge im Nacken zu haben, dass sich irgendwas im Nachhinein doch nicht als so toll herausstellen sollte und man dafür persönlich einstehen muss. Weil das Risiko immer da ist und es ganz schön Zeitaufwendig ist, Model, Redaktion, Buchhaltung und Manager in einer Person zu sein. Aber an den meisten Tagen ist es so verdammt toll, dass ich gerne darüber hinwegsehe.

Continue Reading

You Might Also Like

10 Comments

  • Reply Kerstin April 10, 2016 at 09:12

    Super schöner Beitrag. Ich finde es auch irgendwie faszinierend wie viele junge Mädels Model werden wollen – für mich stand das nie zur Debatte. Ich fand es einfach nie reizvoll. Wobei der Lifestyle der einem von Models wie Gigi Hadid und Kendall Jenner vorgezeigt wird ja schon sehr interessant ist. Da kann ich dann schon verstehen wieso viele Mädels Model sein wollen. Blogger sind da aber doch etwas besser dran fine ich, man kann da ja auch Modeln Ich finde du hast das Thema eigentlich, wie immer, wunderschön wiedergegeben.

    Love, Kerstin
    http://www.missgetaway.com/

  • Reply Nisi April 10, 2016 at 09:48

    Toller Artikel, Jana! Man wird als Blogger sehr oft als Model verwechselt. Auf Shootings oder Drehs wird versucht einem Outfits oder Make-Up-/Haar-Stylings oder „Verhaltensanweisungen“ aufzudrücken, die einfach nicht zu einem passen. Ich will ich sein (und kann nur ich sein nebenbei bemerkt, Schauspielern ist nicht so mein Ding) und ich repräsentiere auch immer mich selbst und bin keine – wie du auch sagst – leere Hülle.
    Aber zum Glück gibt es auch Menschen, die das verstanden haben.
    Liebe Grüße!

  • Reply Susanna April 10, 2016 at 09:56

    Wer kleiner als 1,75m ist, hört stattdessen „Du könntest Model sein, bist aber leider zu klein“.
    Sehr offener und ehrlicher Beitrag!

    Grüße, Susanna
    __________________________
    http://www.susannavonundzustil.de

  • Reply Liz April 10, 2016 at 10:27

    Wirklich gut formuliert und auf den Punkt gebracht. So ganz kann ich den Reiz des Modelns auch nicht nachvollziehen, da finde ich Bloggen (und damit bis zu einem gewissen Grad viel selbstbestimmter arbeiten zu können) schon reizvoller. Aber es ist natürlich auch klar, dass bei einem immer größer werdenden Bekanntheitsgrad die Grenzen auch weiter verschwimmen. Finde ich trotzdem gut, dass du dich so klar positionierst.
    Alles Liebe,
    Liz. http://lizinview.blogspot.co.at/

  • Reply Franzi April 10, 2016 at 10:35

    Liebe Jana,

    ein wirklich sehr schöner Beitrag! Normalerweise bin ich eine stille Leserin deines Blogs, aber heute möchte ich auch mal was sagen
    Ich bin 1,80 groß und kenne das auch nur zu gut. Vor allem weil ich auch tatsächlich gemodelt habe, kann ich mich genau damit identifizieren.
    Zu bloggen ist tatsächlich ein großer Unterschied auch wenn es einige Parallelen gibt. Auch wenn ich natürlich nicht so erfolgreich Blogge wie du, würde ich es dem Modeln immer wieder vorziehen, weil man eben nicht nur eine ,,Kleiderstange“ ist. Das war auch der Grund, warum ich damals mit dem modeln aufgehört habe

    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag,
    Franzi
    http://flashlightjourney.com

  • Reply Andrea April 10, 2016 at 13:16

    Super Beitrag! Ich finde das auch soo nervig wenn Leute ständig meinen Ausdruck kritisieren oder sonst iwas rumnörgeln an mir als „Model“! Die meisten denken bei uns auch ich wäre irgendwie Model weil sie keine andere Erklärung haben. Noch schlimmer finde ich es allerdings, wenn Firmen dich als Model behandeln und dir dann bestimmte Sachen vorsetzen, die du bei einem Event für ein Shooting tragen sollst und dich nicht selbst entscheiden lassen wollen. Die haben da auch was nicht verstanden und sehen den Blogger wohl auch als ne Art Model ohne eigene Entscheidungsfunktion.

  • Reply Fee April 10, 2016 at 13:27

    Toller Post Ich sehe das ganz genau so und werde wegen dem „professionellen“ Bildern auf Facebook und co angesprochen ob ich Model sei.. Wenn ich dann sage, dass ich Bloggerin bin verstehen viele den Unterschied nicht Ich liebe es auch, alles selbst bestimmen zu können – ich will ja kein Kleiderbügel sein, ich will ICH sein.. Du hast es in deinem Beitrag wirklich auf den Punkt gebracht

    Alles Liebe,
    Fee von Floral Fascination

  • Reply pia April 10, 2016 at 17:12

    you look incredible!
    lunjasky.wordpress.com
    Lunjasky bloglovin

  • Reply Katharina April 10, 2016 at 18:48

    Klasse Beitrag!
    Ich stimme dir zu, dass der Model-Lifestyle oft als non plus ultra dargestellt wird und damit die Vorstellung davon völlig verzerrt. Gerade bei jungen Mädchen trifft das natürlich auf einen Nährboden. Viel Geld, Aufmerksamkeit und Promistatus, ständig neue Kleidung, was will eine Teenagerin mehr? Und dafür muss man nicht mal gut in der Schule sein… Gut aussehen reicht schließlich. Das dieses Bild nur auf einige wenige zutrifft, wird dabei aber nicht gesehen.
    Als Blogger hat man wirklich noch eine ganze Menge mehr um die Ohren, was einem aber auch sehr viel mehr Selbstbestimmug bietet. Wie du schon sagst, beim Bloggen zeige ich nicht nur meine äußere Hülle, sondern gebe auch einen Teil meiner Persönlichkeit preis.
    Ich persönlich würde nie mit einem Model tauschen wollen. Für meinen Blog vor der Kamera zu stehen ist halt doch was anderes, als von Casting zu Casting zu rennen und von fremden Menschen an mir herumzupfen zu lassen.
    Liebe Grüße
    Katharina

  • Reply Lisa April 10, 2016 at 19:08

    Liebe Jana,
    du bringst es absolut auf den Punkt. Besser hätte ich selbst nicht beschreiben können, was der Unterschied zwischen Models und Bloggern ist. Als Model darf man keinen Charakter zeigen, sondern soll eine Marke repräsentieren und dahinter möglichst unsichtbar sein. Als Blogger ist genau das jedoch am wichtigsten: Mit Charakter und Persönlichkeit zu überzeugen. Hinzu kommen natürlich noch die vielen verschiedenen Aufgaben aus unterschiedlichsten Bereichen. Ich würde auch niemals im Leben tauschen und als Model arbeiten wollen. Super Blogbeitrag! ♡

    Liebst,
    Lisa von http://www.confettiblush.com

Leave a Reply